Blockbuster – Wir müssen reden!

Special_Blockbuster

Wir schreiben das Jahr 43 nach Blockbuster-Geburt. 1975 brachte Steven Spielberg den „weißen Hai“ ins Kino. Für viele ist dieser Film der Startschuss für das, was wir heute „Blockbuster“ nennen. Im Jahr 2018 haben sich die Kriterien kaum geändert. Es sind Filme bei denen man eine gute Portion Popcorn verschlingen kann, die Story fesselnd aber nicht zu kompliziert ist und der Produktionsaufwand sehr hoch ist. Letzteres ist auch der Grund, warum Blockbuster meistens sehr viele Kompromisse eingehen müssen. Die Streifen sollen möglichst viele Menschen ins Kino locken, damit das hohe Budget wieder eingenommen werden kann. Die häufigsten Kompromisse werden eingegangen, wenn es um die aktuellen Sehgewohnheiten der Zuschauer geht. Da hat sich in den letzten Jahren ein klarer Trend abgezeichnet, der für meinen Filmgeschmack extrem unangenehm ist. Es geht um die Tragödie und Komödie, um Drama und Comedy, um Ernsthaftigkeit und Witz. Diese zwei grundlegenden Gegensätze blieben jahrelang getrennt. Warum es eine schlechte Idee ist, diese Grenze zu durchbrechen und was das für die Zukunft des Blockbusters bedeutet, versuche ich in den nächsten Zeilen zu erläutern.

  • Der Hass ist nicht neu

Kennt ihr die Heldenreise? Es ist eine uralte Formel, auf der 99% aller Geschichten beruhen. Egal ob Film, Serie, Buch, Märchen oder Legende. Die Kurzform lautet wie folgt: Ein Niemand wird zum Held, in dem er etwas hat, wofür es sich zu kämpfen lohnt. Dieses „etwas“ wird durch eine böse Kraft angegriffen. Der Protagonist wird nun durch einen Mentor ausgebildet. Bevor er sich jedoch dem wirklichen Gegner stellen kann, muss er erst ein paar Rückschläge in Kauf nehmen. Hat er diese überwunden, kann er das Böse besiegen und das „Happy End“ ist perfekt. Kommt euch bekannt vor? Kein Wunder! Diese Formel könnt ihr bei (fast) allem anwenden. Harry Potter – Stimmt! Die Märchen der Gebrüder Grimm – Stimmt! Game of Thrones – Etwas abgewandelt, aber stimmt! Schon zu Urzeiten des Kinos haben kreative Köpfe versucht, aus diesem Konzept auszubrechen. Aber schon Anfang des 20. Jahrhunderts entstand etwas, was wir heute Hollywood nennen. Filme wurden immer weniger als Kunst betrachtet und der kommerzielle Erfolg stand immer weiter im Vordergrund. Daraufhin entwickelte sich die Filmgeschichte, welche wir heute kennen. Mal erschufen die Künstler große Meisterwerke, die an den Kinokassen großen Erfolg hatten. Andere Male wurden sichergeglaubte Blockbuster zu riesigen Flops für die Filmstudios. Natürlich hörten auch die Anschuldigungen nie auf. Kritiker warfen der Industrie z.B. vor, nur noch Sequels und Remakes alter Filme zu drehen. Wunderbar umgesetzt in „Zurück in die Zukunft II“. Dort sieht man ein 3D-Plakat von „Jaws 19“. Klare Kritik an dem Kommerz-Wahn der Studios. Allerdings ist der Film von 1989. Genau dasselbe werfen wir den Filmstudios auch noch knapp 30 Jahre später vor.

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(Quelle: Moviepilot.de)

  • Das eigentliche Problem

Den Kampf zwischen Kunst und Kommerz gab es also schon immer und mal haben die einen gewonnen, mal die anderen. Schwieriger wird es jedoch bei dem aktuellen Problem, denn hier wird etwas angegriffen, was fundamental wichtig ist. Ein Film kann auf zwei Arten funktionieren: Subjektiv und Objektiv. Ersteres ist einfach Geschmacksache. Ein Film gefällt mir oder halt nicht. Objektivität hat mit dem Handwerk des Filmemachens zu tun. Wie gut ist die Kamera? Wie sind die Leistungen der Schauspieler? Und ganz wichtig: Funktioniert die Inszenierung? Eine grundlegende Form des „Storytellings“ nennt man Dramaturgie. Ganz einfach erklärt: Schafft der Film es, die Spannung oben zu halten? Wichtig ist dafür, dass die Charaktere ihr eigenes Universum zu jeder Zeit ernst nehmen. Gibt es keine Ernsthaftigkeit im Film, so ist es eine Komödie. Das ist auch vollkommen in Ordnung, wenn man denn eine Komödie erschaffen will. Kontraproduktiv wird es, wenn der Film zwar lustig sein soll, aber im Kern trotzdem einem anderen Genre angehört.

  • Der „richtige“ Witz

Zur besseren Erläuterung meines Kernproblems, wird es jetzt Zeit für ein paar Beispiele. Zu aller erst: Wie wurde das Problem damals gelöst? Nehmen wir doch den ersten Blockbuster als Beispiel. Bei „Der weiße Hai“ ist der titelgebende Fisch ganz klar der Antagonist. Diesen sieht der Zuschauer erst ca. bei der Hälfte des Films. Bis dahin wurde „Bruce“ jedoch schon als das böse Wesen der Meere etabliert. Die Dramaturgie erreicht einen Höhepunkt, wenn der weiße Hai zum ersten Mal das Schiff angreift. Protagonist Martin ist entsetzt, ebenso soll sich der Zuschauer fühlen. Martin geht rückwärts in die Steuerkabine und sagt: „You´re gonna need a bigger boat!“. Die Reihenfolge ist also klar. Bösewicht wird etabliert – erster dramatischer Höhepunkt des Films – gefolgt von einem coolen Spruch als Lockerung – das Finale des Streifens wird eingeleitet. Bitte merken: Erst Drama, dann Witz.

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(Quelle: Filmering.at)

  • Die „falsche“ Art

Als nächstes nehmen wir ein aktuelles Beispiel: Star Wars VIII (kein Spoiler, Szene ist in den ersten Minuten des Films). Der Streifen beginnt, die bekannte Musik setzt ein, der legändere Schriftzug fliegt durchs Weltall und die Kamera bewegt sich zum Schauplatz. Man sieht die „Erste Ordnung“ (das Böse) und das Fliegerass „Poe“ (Freund der Heldin). Ohne jeden Zweifel wird hier eine dramatische Szene aufgebaut. Allerdings nicht mal eine Minute. Es folgt ein witziges Gespräch zwischen dem Guten und dem Bösen, an dessen Ende ein „Dein-Mutter-Witz“ steht. Die Dramatik wird aber nicht aufgelöst. Der eigentliche Höhepunkt folgt erst danach und auch da kann sich der Film nicht zurücknehmen. Immer wieder werden wichtige Szenen durch Witze, coole Sprüche oder tolle Selbstreferenzen unterbrochen. Hier ist die Reihenfolge also wie folgt: Aufbau der dramatischen Szene – Witz zur Auflockerung – Dramatik wird fortgesetzt.

  • Richtig oder Falsch? Es ist doch Entertainment!

Ich habe mich schon mit ein paar Leuten darüber unterhalten und es gibt eigentlich nur zwei Reaktion: 1. Ja genau das stört mich auch! 2. Hä? Was hast du denn gegen Humor? Für alle die zur zweiten Gruppe gehören, möchte ich es mal erklären. Filme werden gemacht, damit der Zuschauer in andere Welten abtauchen kann. Diese können der eigenen Umgebung nach empfunden sein oder komplett fiktiv und surreal wirken. Es ist nur wichtig: Nehmt die Regeln eurer eigenen Welt ernst! Deadpool zum Beispiel, ist es vollkommen egal, was in seiner Welt alles abgeht. So ist der Charakter jedoch geschrieben. Bei „normalen“ Blockbustern folgen die Protagonisten einem höheren Ziel. Immer wenn es darum geht, reagieren sie emotional und passend. Der Grund: Sie sollen menschlich wirken, denn mit realen Personen kann sich der Zuschauer besser identifizieren. Wenn jedoch die Charaktere die ganze Sache nicht ernst nehmen, warum soll es dann der Zuschauer tun. Bei „Star Wars“ bspw. geht es um einen großen Krieg und alle Charaktere nehmen diesen auch ernst. Das ist nur logisch, denn sonst würden sie diesen Krieg verlieren. In der alten Trilogie z.B. wird sich an das Schema von „Der weiße Hai“ gehalten. Bei Episode 7 und 8 hat man oft das Gefühl, dass den handelnden Personen die aktuelle Lage vollkommen egal ist. Ganz nach dem Motto: “Die Dramaturgie kann etwas warten, ich muss jetzt erstmal einen Witz machen.“ Würdet ihr euch in einem Bürgerkrieg so verhalten? Natürlich gibt es Charaktere die mal einen coolen Spruch sagen müssen. Aber jeder einzelne und zu jedem Zeitpunkt? Stellt euch mal ein Aufeinandertreffen von Luke und Darth Vader vor, bei dem der Imperator im Hintergrund noch einen Witz loslässt. Das ist für euch unvorstellbar? Herzlichen Glückwunsch, ihr habt mein Problem mit heutigen Blockbustern verstanden.

  • Sind jetzt alle Blockbuster großer Müll?

Es gibt auch Gegenbeispiele. „Blade Runner“ aus dem letzten Jahr hat z.B. coole Sprüche und schafft es trotzdem die Dramaturgie aufrecht zu erhalten. Dieser Film setzt den Humor gezielt ein, anstatt eine gewisse Gagquote zu erfüllen. Den normalen Zuschauern scheint dieses Problem jedoch herzlich egal zu sein. Die „witzige“ Dramaturgie findet man mittlerweile in fast jedem Superheldenfilm und dieses Genre ist zurzeit unfassbar erfolgreich. Unglaublich wenn man bedenkt, dass gerade diese Filme von den Zuschauern sehr emotional diskutiert werden.  Das geht manchmal so weit, dass in den Diskussionen eine höhere Ernsthaftigkeit herrscht als in den zu Grunde liegenden Filmen. Die Fans nehmen also das Universum ernster, als die dort heimischen Charaktere. Eigentlich müsste dieses Problem den Fans ziemlich auf die Nerven gehen, tut es aber scheinbar nicht. Warum dies so ist? Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung. Vielleicht existiert das Problem mit der Dramaturgie und dem Witz eigentlich gar nicht. Vielleicht ist es mir nur aufgefallen und deshalb stört es mich jetzt ständig. Oder haben sich die Sehgewohnheiten geändert und diese Art des „Storytellings“ ist jetzt einfach modern? Ich würde mir wünschen, das Drama und Witz wieder mehr getrennt werden, der coole Spruch erst nach dem dramatischen Höhepunkt fällt und die Film-Charaktere die Regeln ihrer eigenen Universen wieder folgen.

Seht ihr das genauso? Habt ihr dasselbe Problem? Oder gefällt euch die aktuelle Mischung aus Dramaturgie und Witz in den aktuellen Blockbustern? Schreibt eure Meinung sehr gerne in die Kommentare und lasst uns diskutieren.

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17 Comments

  1. Dank Mago nun auch auf diesen sehr interessanten und lesenswerten Text gestoßen 😉
    Zunächst mal eine kurze, kritische Anmerkung zum Thema Subjektivität vs Objektivität: Ich denke es ist unmöglich, einen Film überhaupt objektiv zu betrachten, vor allem als Zuschauer oder Kritiker. Das einzige, was dem noch am nächsten kommt, ist eine nüchterne Filmanalyse, die sich dann aber nicht mit Qualitätskriterien, sondern einzig mit dem „Wie“ beschäftigt. Bei einer objektiven Betrachtung fragt man also nicht, wie *gut* die Inszenierung/Dramaturgie/Kamera ist, sondern schlicht, *wie* sie ist, ohne zu werten. Aber das nur am Rande ^^
    Im Wesentlichen stimme ich mit deinen Schlussfolgerungen überein. Humor und Drama sind in meinen Augen zwar keine absoluten Gegensätze, sondern können sich durchaus ergänzen und verstärken, die Gleichförmigkeit in modernen Blockbustern geht aber auch mir auf den Senkel. Je mehr ich über Star Wars 8 nachdenke, desto klarer wird mir, dass mich das am meisten gestört hat. Ausgerechnet bei der von dir erwähnten Szene fand ich das jedoch nicht so schlimm, denn der Humor passt zur Figur Poe Dameron. Humor kann eben auch eine essentielle Charaktereigenschaft sein, trotz einer ernsthaften Handlung.

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    1. Erstmal: Großen Dank. „lesenswerter Text“ – sowas geht runter wie Öl 😀
      Für mich gibt es Objektivität im Film, jedoch nicht bei einem ganzen Film. Schwierig zu erklären. Objektiv kann man keinen Film eine Wertung geben, den einzelnen Teilen (dem Handwerk „Film“ schon). Einen Tisch z.B. kann man im Ganzen auch nur subjektiv gut oder schlecht finden. Jedoch kann man objektiv sagen ob er gut verarbeitet ist oder gute Materialien benutzt wurden. Beim Film sind das dann Kamera-Arbeit, Schauspiel, Drehbuch etc.

      Humor und Drama sind keine Gegensätze, das stimmt. Es kommt auf den Einsatz an. Bei „Der weiße Hai“ sehr gut, bei „Star Wars“ nicht so gut. Subjektiv oder Objektiv gesehen – kannst du dir aussuchen : )
      Kleine Anmerkung noch zu Poe: Den hab ich nur rausgesucht, weil es dann kein wirklicher Spoiler ist. Es gibt aber gerade in Episode 7 und 8 genug solcher Beispiele, die mir die FIlme teilweise wirklich kaputt gemacht haben.

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  2. Auch ich bin dan MaGo auf diesen Artikel gekommen.
    Und ich gehe auch nicht zu 100% mit deinem Gedanken konform, obgleich ich dir bei einigen Punkten zustimmen muss. Grundsätzlich sehe ich das so, wie der liebe Herr Vorredner christianneffe (inkl. der „Star Wars VIII“-Szene).

    Aber dennoch vielen Dank für diesen lesenwerten Artikel.

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    1. Vielen Dank : )
      Ich könnte jetzt die Antwort wiederholen, aber aus Zeit-Ersparnis: Wenn du vom Prinzip die selbe Meinung hast wie Christianneffe, bitte ich dich einfach auf die dazugehöhrige Antwort zu schauen : )

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  3. Ich stimme dir zu 100% zu beim Thema Komik/Tragik. Der Einsatz hat mich schon bei Marvel gestört, weshalb ich unter anderem auch aufgehört habe die Folgen zu schauen, aber jetzt bei Star Wars trifft es mich emotional und nimmt mich mit, da die für seine Glaubhaftigkeit geliebte Serie plötzlich ebenso generisch wird.

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    1. Ging mir ähnlich. Bei Marvel ist es mir aufgefallen, bei Star Wars hat es mich dann wirklich genervt. Mittlerweile hoffe ich bei fast jeder Szene, dass die Ernsthaftigkeit durchgezogen wird oder ob nochmal ein Witz gemacht werden muss.

      Dabei geht es mir nicht undbedingt darum, Komik und Tragik nicht zu verbinden (es gibt genug Beispiele bei denen es funktioniert). Aber warum Blockbuster in diesen Jahren immer eine Gagquote haben müssen, verstehe ich einfach nicht.

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