Die 90. Academy Awards gingen gestern Nacht über die Bühne und aus mir nicht erklärbaren Gründen, habe ich es tatsächlich geschafft die komplette Veranstaltung durchzuhalten. Der Abend stand natürlich ganz unter dem Motto der politischen und gesellschaftlichen Agenden. Ganz nebenbei wurden aber auch die besten Filme des Jahres prämiert. Ein bisschen Kritik, ein bisschen Lob und meine Eindrücke von den Oscars 2018 gibt es hier in den nächsten Zeilen.
- Die Pre-Show
Zu dem ganzen Gedöns vor der eigentlichen Preisverleihung habe ich ja ein gespaltenes Verhältnis. Auf der einen Seite sind mir die Kleider und Anzüge der Nominierten relativ egal, auf der anderen Seite liebe ich die Interviews von „unserem Mann in Hollywood“ Steven Gätjen. Die netten Small-Talks am roten Teppich mit den größten Filmstars der Welt sind eigentlich ganz unterhaltsam. Leider hatten die Größten der Großen nicht wirklich Lust auf den ganzen Trubel und so sah man eigentlich nur die B-Riege im Interview. Ab und zu konnte Steven dann aber doch mit richtigen Promis wie z.B. Gary Oldman, Mark Hamill oder Sandra Bullock reden. Trotzdem war es schwierig, nicht schon während der Pre-Show einzuschlafen. Zum Glück hat mich die Chaostruppe der Rocketbeans auf dem Second-Screen wachgehalten.
- Die Award-Show
Hollywood ist politisch. Das war schon immer so und es war allen Beteiligten klar, dass die ganze Show auf die aktuellen Debatten ausgelegt ist. Der Anfang der Show (Vorstellung der Oscars im Stile der schwarz-weiß Ära) war aber ein ganz anderer. Moderator Jimmy Kimmel erinnerte alle Beteiligten noch einmal daran, dass hier ein Jubiläum gefeiert wird. Die 90. Verleihung sollte ein riesiger Rückblick werden, bei dem nochmal den großen Stars, den besten Augenblicken und den besten Filmen der Geschichte Tribut gezahlt werden sollte. Blöd nur, dass darauf keiner richtig Bock hatte. Keine einzige Dankesrede nahm Bezug auf die lange Geschichte der Oscars. Nur ein paar Beiträge (zugegeben waren die sehr gelungen) gaben einen Einblick auf die letzten 90 Verleihungen. Eindeutig gibt es im Jahr 2018 aber wichtigere Themen. Jimmy Kimmel, die Laudatoren und die meisten Beiträge wollten allesamt auf die Unterdrückung von Gesellschaftsgruppen im Showbusiness hinweisen. Mal lustig, mal sehr ernst – aber in den meisten Fällen sehr gelungen. Ich finde, dass so eine große Preisverleihung mit Millionen von Zuschauern der beste Ort ist, um ein Zeichen zu setzten. Da die Oscars eine amerikanische Preisverleihung ist, geht das Ganze auch nur mit viel Pathos und Gefühl. Nicht mein Geschmack, aber wie gesagt: Die Themen sind sehr wichtig für die gesamte Filmlandschaft und daher ist es natürlich sehr gut, dass hier so damit umgegangen wird. Etwas merkwürdig finde ich dann nur, wenn bspw. beim Namen Rachel Morrison (erste Kamerafrau mit einer Nominierung) laut gejubelt wird. Aber Hollywood war schon immer sehr gut darin, sich selber abzufeiern, anstatt sich für so eine Tatsache zu schämen. Alles in allem lief die Show mit angezogener Handbremse und man merkte den Machern an, dass sie große Angst hatten, für irgendeinen Skandal zu sorgen. Mehr noch hatte zumindest ich das Gefühl, dass die gesamte „MeToo“-Debatte mit den Oscars erledigt ist. Immerhin saß in diesem Raum ganz Hollywood und alle gaben Standing-Ovation. Natürlich wird sich im Filmgeschäft nicht alles von heute auf morgen verändern. Vielleicht haben die Oscars 2018 aber einen guten Anfang gemacht.
(Bildquelle: Handelsblatt.com)
- Preise – Gewinner und Verlierer
Bei meinem persönlichen Tippspiel habe ich 12 von 25 Kategorien richtig erraten und bin damit eigentlich ganz zufrieden. Allerdings gibt es einen großen Unterschied zwischen meinen Favoriten und meinen eigentlichen Lieblingsfilmen. Im letzten Jahr waren das „Dunkirk“ und „Blade Runner 2049“. Beide konnten zwar Oscars gewinnen und darüber freue ich mich sehr, aber leider waren es am Ende nur die kleinen Kategorien. Für einen kurzen Jubelschrei hat dann aber der Sieg von Roger Deakins gesorgt. Nach 14 Nominierungen konnte der Kameramann endlich für seine großartige Leistung in „Blade Runner 2049“ einen Preis mit nach Hause nehmen. Der Erfolg von Dunkirk (3 Oscars) ging dann leider auf Kosten von „Baby Driver“, aber wo es Gewinner gibt, muss es auch Verlierer geben. Vollkommen in Ordnung gehen auch die 4 Oscars für „Shape of Water“ und wenn man die Freude von Guillermo del Toro auf der Bühne sieht, dann weiß man auch, es hat den richtigen getroffen. Einzig der Preis für das beste Szenenbild hätte ich „Blade Runner“ gegeben und dafür den Preis für das beste Kostüm an „Shape of Water“ verliehen. Ebenfalls finde ich die Preise für Gary Oldman (Bester Hauptdarsteller) und „Three Billboards Oustide Ebbing, Missouri“ (Bester Nebendarsteller und Beste Hauptdarstellerin) gerechtfertigt. Besonders gefreut hat mich, dass kein mittelmäßiger Film in einer kleinen Kategorie gewonnen hat, wie z.B. „Suizide Squad“ im letzten Jahr.
- Fazit
Die 90. Verleihung der Academy Awards war eine Show, die durch die aktuellen politischen und gesellschaftlichen Themen gelenkt wurde. Das schmälerte zwar den Unterhaltungswert, aber die Bedeutsamkeit darf man natürlich nicht unterschätzen. Überraschenderweise hatte das Ganze relativ wenige Auswirkungen auf die Gewinner. Zum besten Film wurde ein Streifen gewählt, der die alten Zeiten von Hollywood verehrt und bejubelt. Somit also ein klassischer Gewinner, wenn auch das Fantasy-Genre eher ungewöhnlich war. Aber die einzigen Frauen in den „Männer“-Kategorien „Regie“ und „Kamera“ unterlagen dann doch. Meiner Meinung nach auch zu recht. Aber eben nicht weil sie Frauen sind, sondern weil (zumindest meistens) einfach die besten gewonnen haben. Es gibt wirklich wenige Entscheidungen, mit denen ich nicht einverstanden bin. Besonders die Gewinner der großen Kategorien kann ich nachvollziehen, auch wenn meine persönlichen Favoriten vielleicht andere gewesen wären. Vielleicht lag es daran, dass es in diesem Jahr so viele Agenden gab, dass diese sich gegenseitig Stimmen gekostet haben. Darüber kann man nur spekulieren, aber im nächsten Jahr hoffe ich wieder auf eine große, bombastische Show mit mehr Unterhaltungswerten. Vielleicht schaffen die Macher auch eine Kombination aus Beidem und den großen Hollywood-Rückblick kann es dann ja wirklich in 10 Jahren geben, wenn zu den 100. Academy Awards eingeladen wird.