Film Wichteln #8 – Der Mann vom Kapuziner-Boulevard

Liebe Mitwichtler/innen,

Ich weiß ja nicht wie es euch geht. Aber ich mag die Weihnachtszeit. Ich mag auch das Schenken und das Beschenktwerden. Doch wichteln mag ich eigentlich nicht sonderlich. Dafür mag ich aber Marius und bin daher auch dieses Jahr wieder, mittlerweile mit neuem Nutzernamen, bei seiner tollen Aktion dabei. Allerdings habe ich bei solchen Sachen in der Regel weder Glück mit den Geschenken, die ich bekomme, noch damit, wie die von mir mühsam ausgewählten Wichtelgaben bei anderen ankommen. Im Grunde also die besten Voraussetzungen für einen ulkigen Vorweihnachtsspaß …

Das Auspacken des Geschenks

Immer wenn mich jemand fragt, mit welchem Filmgenre ich denn so gar nichts anzufangen weiß, fällt mir eine Antwort relativ schwer. Mein erster Impuls wäre immer ein entschiedenes „Western!“ hinauszuposaunen. Doch das wäre natürlich nicht richtig, da mir durchaus Genrevertreter einfallen, die mir gut oder gar sehr gut gefallen. Nichtsdestotrotz gehört der Western in all seinen Facetten nicht unbedingt zu meinen Lieblingsgattungen der cineastischen Unterhaltungskunst. Meine Begeisterung hielt sich also in Grenzen, als mir Marius meinen Wichtelfilm mitteilte: Der Mann vom Kapuziner-Boulevard – Eine sowjetische Western-Musical-Parodie aus dem Jahr 1987.


Tja, was soll man dazu sagen? Klar, 1987 war und ist ein grandioser Jahrgang. Aber ausgerechnet ein Western? Und dann noch aus Russland, ein Land zu dem meine cineastische Beziehung, spätestens seit ich kürzlich dank meines lieben Filmfreund Benni „Stalker“ (1979) von Andrei Tarkowski schauen durfte, zumindest vorbelastet ist. Nun gut, Laufzeit 98 Minuten. Das kann ja wohl nicht so schlimm werden.

Der überraschende, da originelle, Inhalt

Der Film spielt irgendwann um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert herum. Ein Gentleman namens Johnny First (Andrei Mironow) reist in den rauesten Wilden Westen, wo Trunkenheit, Gewalt und Exzess an der Tagesordnung stehen, um dort ein wenig Kunst und Kultur in Form eines Stummfilmkinos (Kinematograf) wirken zu lassen. First selbst entdeckte die Welt des Kinos auf dem Boulevard der Kapuziner in Paris, wo seinerzeit die Brüder Lumière mit die ersten Filme der Geschichte zeigten. So viel zur Erklärung des Filmtitels.

Je mehr Filme man kennt, desto schwieriger ist es, etwas wirklich Originelles zu entdecken. Doch um eines direkt vorwegzunehmen: Wenn „Der Mann vom Kapuziner-Boulevard“ eines ist, dann originell. Zumindest fällt mir kein einziger Film ein, den man mit Alla Surikovas Werk vergleichen könnte. Das muss jetzt zunächst kein Qualitätsmerkmal sein. Aber wer gerne unkonventionelle Ideen auf der Leinwand sieht (ja, ich meine unter anderem dich, Marius), sollte hier auf jeden Fall einen Blick riskieren [https://www.youtube.com/watch?v=4JZzsIncaVo&t=21s]

Der Film parodiert einige große Westernklassiker, sowohl aus Hollywood als auch aus dem Bereich der sogenannten Spaghetti-Western aus Europa. So enthält „Der Mann vom Kapuziner-Boulevard“ beispielsweise Verweise auf „The Man Who Shot Liberty Valance“ (1962), „The Magnificent Seven“ (1960) oder auf die großen Meilensteine des Sergio Leone. Die Figur des Schurken Black Jack (Michail Bojarski) erinnert beispielsweise doch sehr an den von Lee Van Cleef gespielten Sentenza aus „The Good, The Bad and the Ugly“ (1966). Diese parodistischen Gags zündeten bei mir leider nur sehr vereinzelt. Bei manchen Szenen, wie zum Beispiel einer ebenso wüsten wie maßlos überzogenen Saloon-Schlägerei, musste ich tatsächlich mehr als nur schmunzeln. Bei einigen anderen jedoch konnte ich nur müde den Kopf schütteln.

Ein weiteres Problem waren für mich die Musical-Einlagen. Diese waren jetzt nicht unbedingt schlecht. Aber sie haben mich doch immer wieder aus dem Film herausgerissen. Und hängen geblieben war bereits 20 Minuten nach dem Abspann kein einziges der im Film vorgetragenen Stücke.

Und dennoch hat der Film eine große Stärke, die ihn unter dem Strich doch irgendwie unterhaltsam macht. Denn neben all dem Klamauk und den Rohrkrepierer-Gags ist der Film vor allem eins: eine Liebeserklärung an das Kino. Johnny First zeigt mit seinem Kinematographen auf humoristisch-überzogene Art wie das Kino, oder Filme im Allgemeinen, den Menschen Hoffnung und Freude spenden kann, wie ungehobelte Schläger und Revolverhelden zu besseren Menschen werden und wie Grenzen zwischen Völkern, Kulturen und sogar Geschlechtern überwunden werden können. Gleichzeitig kritisiert Surikova jedoch auch die Kommerzialisierung der Filmbranche.

Danke an den Wichtel

Alles in allem ist „Der Mann vom Kapuziner-Boulevard“ ein Film, den ich nicht unbedingt noch mal schauen muss. Aber ich bin dennoch froh, dass ich ihn von meinem Filmwichtel geschenkt bekommen habe. Denn ein originelles Werk ist der Film auf jeden Fall und damit für Fans von skurrilen und unkonventionellen Ideen sicherlich ein echter Geheimtipp, der nicht zufällig 1987 der erfolgreichste Film an den sowjetischen Kinokassen war. In diesem Sinne, vielen Dank an meinen Wichtel, an Marius für die Organisation und eine besinnliche Weihnachtszeit an alle, die das hier lesen.

Euer Filmgeschichtenerzähler


Wichtel von Louis Derfert

Text von Filmgeschichtenerzähler

Übersicht der Wichtel-Texte

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