Heute habe ich mal einen wahren Klassiker aus der Mottenkiste gezogen. Unmengen an berühmten Leuten und Kritiker jubeln diesem Film zu, er wird als das Meisterwerk eines eh schon großen Regisseurs gelobt und ganz nebenbei wird diese Aktion hier, wo ich jeden Tag einen Film von meinem „Pile of Shame“ streiche, damit eine ganze Ecke internationaler. Viel Vergnügen mit meinen Worten zu Federico Fellinis „Achtheinhalb“
Das erste was ich nach diesem Film gemacht habe? Ich habe eine Konsum-Mischung aus Koffein, Nikotin und Ibuprofen zu mir genommen, um mal wieder halbwegs klar zu kommen. Immerhin tippen sich diese Zeilen nicht von selbst! Der italienische Schwarz-Weiß-Film aus dem Jahr 1963 und Auslandsoscar-Gewinner ist einer der komplexesten Filme die ich je gesehen habe. Das liegt aber nicht unbedingt an der Geschichte oder der Inszenierung. Klar, fordernd sind die Szenen zu jedem Zeitpunkt, aber wirklich komplex ist der Inhalt des Films. Ich könnte mir „Achteinhalb“ wahrscheinlich 20mal ansehen und wäre trotzdem noch erschlagen von dieser Gewalt an Inhalt. Zu keiner einzigen Sekunde steht dieser Film auf der Stelle oder lässt das Publikum mal kurz durchatmen. Immer (wirklich IMMER!) passiert irgendwie, irgendwo, irgendwas. Selbst Nichtraucher werden dankbar für die kurzen Zigarettenpausen sein, einfach weil da mal kurz die Klappe gehalten wird. Sonst aber spricht immer ein Charakter oder es werden zumindest vielsagende Blicke ausgetauscht. Dabei ist die eigentliche Geschichte nur hauchdünn: Der Regisseur Guido ist Mitten in der Planung zu seinem neuen Film und kämpft gleichzeitig gegen seine eigenen Dämonen in Form von Stress, Frauengeschichten und vor allem einer Schaffenskrise. Nirgends geht es großartig voran. Immer wieder flüchtet sich unser Protagonist deshalb in seine Traumwelt, wo er mal seine Probleme mit den Frauen lösen kann, in dem er einen Harem errichtet oder den nervenden Kritiker einfach erhängen lassen kann. Nichts davon ist in der Realität machbar oder wünschenswert, aber Guido versucht durch die Tagträumereien, dem realen Stress zu entfliehen. Nun, das klappt eher so halbgar.
Ein wirkliches Novum bei „Achteinhalb“ ist, dass Träume und Realität mit harten Schnitten, ohne irgendwelche Blenden, ineinander übergehen. So kann der Film vielleicht etwas schwierig wirken, aber ich persönlich hatte damit weniger Probleme. Insgesamt muss man Fellini zu Gute halten, dass er den Film sehr leicht und locker inszeniert und sich nicht wie andere Streifen, in der Krise seines Protagonisten suhlt. Traurige Musik und tiefe Gefühlsausbrüche gibt es nicht, egal wie am Boden zerstört der Hauptcharakter ist. Diese Lockerheit und die relativ einfache Grundgeschichte sind auch nötig, denn alles andere ist keine einfache Kost. Stichwort „Metaebene“! Das fängt beim Titel an (es ist quasi Fellinis „achteinhalbster“ Film) und hört beim merkwürdigen Wohlfühl-Ende auf. Jede Szene, jede Sequenz, jeder Gesichtsausdruck, jeder verdammte Moment hat mindestens einen doppelten Boden parat. Um diese auseinander zu nehmen, muss man wahrscheinlich 20 Jahre italienische Filmwissenschaft studiert haben und eine Doktorarbeit über Federico Fellini geschrieben haben. Das gute bei so vielen Ebenen? Man freut sich wie ein Cineasten-Genie, wenn man dann auch mal was erkennt.
„Achtheinhalb“ ist im Grunde ein völlig überladener Film, der wahrscheinlich mehr für Fellini selbst gedacht war, als für das Publikum. Aber aus dem Werk einer Schaffenskrise von einem großen Künstler, kann man immer auch für sich etwas rausziehen. Ähnlich wie bei Almodovars „Leid und Herrlichkeit“ über 50 Jahre später, finde ich es persönlich extrem interessant, wie große Künstler ihre Persönlichkeit in einen „fiktiven“ Film bringen. Ich hatte Spaß dabei, mich durch die komplexen Strukturen durchzukämpfen und dabei hat mit Sicherheit geholfen, dass die Inszenierung eher locker gehalten und der Spaß nicht vergessen wurde. Gar nicht erwähnt, habe ich diese fantastischen Bilder. Wie man es schafft, solche Momentaufnahmen zu kreieren, als wäre es das leichteste von der Welt, bleibt mir absolut schleierhaft. Uneingeschränkt kann ich diesen Klassiker bei weitem nicht jedem empfehlen. „Achteinhalb“ ist für Leute die mehr erwarten von einem Streifen als seichte Unterhaltung, aber auch keine Lust darauf haben (wie manch anderer „Kunstfilm“), dass der Film nur in Rätseln mit den Zuschauern spricht. Fellini hat ein Werk erschaffen, das zwar überfordert, aber das Publikum nicht nur mit Fragezeichen zurück lässt. Vielleicht verliert sich der Maestro auch einmal zu viel in seinen Dialogen und Bildern, aber so eine Schaffenskrise ist ja auch kein Kindergeburtstag.

Die Film-Himmel-Woche:
- Tag 1: Die Blechtrommel
- Tag 2: Die Jagd
- Tag 3: Achteinhalb
Mit Fellinis Werk bin ich so gar nicht vertraut. Dem muss ich mich auch mal langsam nähern.
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Achteinhalb ist auch der einzige, den ich von ihm gesehen habe, obwohl zwei weitere im Regal standen und ich schon in einem Fellini Museum war 😅
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Da bist du auf jeden Fall schon weiter als ich.
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Ich empfehle dir ein Besuch in Rom nach der Pandemie 😁
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