Wie in der 2020er Vorschau schon angekündigt, nehme ich dieses Jahr beim „Japanuary“ teil. Wer nicht weiß was das ist, wird HIER fündig. An den nächsten vier Freitagen stelle ich jeweils zwei Filme vor. Heute beginne ich mit zwei Anime-Hits aus den letzten Jahren
- Der Junge und das Biest
In diesem Film geht es um klassische Motive, die wir schon seit Jahren vom berühmten Studio Ghibli kennen, jedoch ist der Stil ein vollkommen anderer. Die Geschichte handelt vom kleinen Ren, der von Zuhause abhaut und durch einen geheimen Gang in die Welt der Tierwesen landet. Dort läuft aktuell ein Kampf darum, wer der neue Großmeister werden soll. Einer der Anwärter ist Kumatetsu und dessen einzige Chance auf den Titel ist, einen Schüler bei sich aufzunehmen. Natürlich entscheidet er sich für Ren und das Abenteuer beginnt. Viele Jahre später steht dann endlich der große Kampf an, allerdings verirrt sich der nun fast erwachsene Ren wieder in die Menschenwelt. Ihr merkt schon, auf die Geschichte kann man die Schablone der Heldengeschichte ziemlich genau drauf legen. Somit ist es auch nicht schwer zu erahnen, wo das Ganze hinführt und welcher Charakter eine Wendung durchmacht. „The Boy and the Beast“ setzt auf eine klassische Erzählstruktur, um den wahren Highlights im Film mehr Raum zu geben. So ist z.B. das „World Building“ fantastisch. Wo man sich vielleicht am Anfang noch fragt, warum ein kleiner Seitengang mitten in Tokio noch nie entdeckt wurden ist, akzeptiert man die Tierwelt ziemlich schnell. Die Charaktere werden in Sekundenschnelle charakterisiert, die Regeln der Welt kann man mit wenigen Sätzen zusammenfassen und es wird nicht die komplette Mythologie tot erklärt. So bleibt mehr Zeit für das Abenteuer und die Protagonisten, welche mit Abstand das Beste am ganzen Film sind. Das ungleiche, immer streitende, Trainer/Schüler-Duo macht sehr viel Spaß beim Ansehen, genauso wie die unterschiedlichen Nebencharaktere. Die Witze sind über die 120 Minuten Laufzeit gut verteilt, die Animationen auf einem extrem hohen Level und bis zu dem Punkt mit der Menschenwelt, war ich vollkommen hin und weg. Dann geht es steil bergab. Mit den immer öfter auftretenden Kitsch-Momenten komme ich noch klar, immerhin gucke ich hier ja einen japanischen Film. Auch die Rückkehr in die Menschenwelt ist verkraftbar, obwohl das Tieruniversum viel interessanter ist. Der Streifen macht einen Fehler, den man als guter Fantasy-Film nicht machen darf: Er ignoriert sein World-Building. Immerhin werden die aufgestellten Regeln der Filmwelt nicht gebrochen, jedoch werden im Finale Dinge und Kräfte etabliert, für die es vorher keine Anzeichen gab. Die Fähigkeiten der Wesen beschränkten sich auf extreme Kraft, hohe Schnelligkeit usw. Nur die Großmeister konnten auch mal sowas wie teleportieren oder einen Topf schweben lassen. Die Momente im Finale sind dann einfach zu „over the top“. Technisch zwar beeindruckend, aber das war der „geerdete“ Schwertkampf ein paar Minuten zu vor auch. Hier hat man jedoch über 90 Minuten lang einen Samurai-Film gesehen und es entwickelt sich zu einem Harry-Potter-Zauberspektakel. Diese Entwicklung hätte es für mich nicht gebraucht und wenn die Macher so etwas in einen 2 Stunden Film einbauen, müssen Sie es vorher etablieren (eine alte Legende o.ä.) Außer dem Finale mit dem Motto „syle over substance“, ein paar extremen Kitsch Momenten und der vorhersehbaren Story, habe ich aber wirklich nichts zu meckern. Diese Fehler halten „Der Junge und das Biest“ zwar davon ab in der obersten Anime-Liga mitzumachen, aber die Animationen sind großartig, die Charaktere liebenswürdig und die Welt fasziniert von Anfang an. Trotz der Fehler möchte ich eine klare Empfehlung aussprechen für diesen unterhaltsamen Film.
- In this Corner of the World
Wie nachhaltig verstört das Land Japan durch den Abwurf der Atombomben über Hiroshima und Nagasaki wurde, sieht man alleine schon daran, wie viele Filme sich dem Thema der Aufarbeitung widmen. Dieser Anime aus dem Jahr 2016 versucht sich ebenfalls daran, allerdings aus einer sehr passiven Sicht. Wir sehen ein junges Mädchen aus Hiroshima aufwachsen. Sie wird in die Stadt Kure verheiratet und muss da nicht nur mit der neuen Familie klar kommen, die Liebe in ihrem neuen Mann suchen oder lernen, wie die Hausarbeit richtig zu machen ist. Ganz nebenbei kommt der Krieg immer näher und die Luftanschläge vermehren sich. Wir erleben die Geschichte bis zum atomaren Schicksalstag und noch etwas darüber hinaus. Über (fast!) die gesamte Laufzeit von knapp 130 Minuten sieht der Zuschauer aber nicht nur Menschen in ständiger Melancholie. Gerade die Hauptprotagonistin ist so wunderbar geschrieben, dass sie mit ihrer kindlich naiven Art immer wieder für schmunzeln sorgt, auch wenn man als Zuschauer natürlich schon die annähernde Katastrophe im Kopf hat. Auch der visuelle Stil aus seichten Farben kann überzeugen, ebenso wie die musikalische Untermalung. Den gelungenen Faden verliert der Film jedoch gegen Ende immer mehr. Die Schnitte werden schneller, Charakterentwicklungen kommen (und verschwinden) plötzlich und auch die noch eben geglückte Mischung aus Humor, Traurigkeit und gelegentlichen Schockmomenten, funktioniert am Schluss leider nicht mehr so gekonnt. Die Auswirkungen des Krieges werden nämlich über einen Großteil nur passiv gezeigt. Unglücke und Katastrophen sieht man nie direkt, da der Film eher den Umgang der Protagonisten mit dem Krieg zeigen will. Warum sich die Macher von „In this Corner of the World“ kurz vor den Credits dazu entschlossen haben, für ein paar Sekunden ein extremes Bild des Todes zu zeigen, bleibt mir dabei unbegreiflich. Natürlich wirkt diese schonungslos ehrliche Szene wie ein Schlag in die Magengrube, aber gebraucht hätte es der Streifen nicht. Man fühlt sich als Zuschauer schon alleine durch die passive Art der Kriegsdarstellung sehr unwohl. Die direkte Aufnahme von Blut und Terror diente nur der Effekthascherei und bricht mit den aufgebauten Prinzipien. Vielleicht wurden die letzten Szenen auch so gestaltet, um den Vorwurf der Kriegsschönmalerei zu entkommen. Leider gelingt dies auch nicht so wirklich. Zwar werden die ausführenden Kräfte der alten Staatsmacht als dumm und aggressiv dargestellt, aber dies auch nur für wenige Minuten. Alle anderen Charaktere machen halt das Beste aus der Situation, sie reden kaum über die Geschehnisse und später wird sogar noch eine Brandrede auf den Stolz des japanischen Volkes gehalten, und zwar von unserer geliebten Protagonistin. Diese hat übrigens vorher kein politisches Wort herausbekommen. Es ist ein Film über die Leistungen der japanischen „Trümmerfrauen“. Andere Gefühle, wie z.B. Schuld, spielen in hier keine Rolle. Wer sich mit Geschichte nicht auskennt, kann gar nicht glauben, dass von diesem lieben, netten und friedlichen Volk jemals die asiatische Seite des zweiten Weltkrieges ausgegangen ist. Natürlich weiß ich auch, dass es darum einfach in „In this Corner of the World“ nicht geht und das Ganze eine sehr deutsche Sichtweise auf die Probleme darstellt. Allerdings bringt der Film die Japaner in eine reine „Opferrolle“ und das ist mindestens mal bedenklich. Unter kompletten Realitätsverlust, um ihn etwas Propaganda vorzuwerfen, leidet der Film zwar auch nicht, aber trotzdem hätte ich mir in dieser Richtung mehr gewünscht. Neben diesem Aspekt und den Problemen in der Tonalität am Ende, kann ich diesem Werk aber nicht viel vorwerfen. Wer sympathische Charaktere in einer wunderschönen Welt während einer schrecklichen Zeit begleiten will, findet hier genau den richtigen Film.
Eine tolle Wahl! Mir hat Der Junge und das Biest etwas besser gefallen, da In this Corner of the World gern etwas herumdümpelt bis die Story in fahrt kommt! 😁
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Bei mir sind sie so auf einen Level, wobei die FIlme echt schlecht vergleichbar sind. Beide fallen eher zum Schluss ab
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Stimmt man kann sie echt schwer vergleichen; allein schon wegen dem internen Genre aber viele Anime Filme bauen zum Ende hin ab wenn man mal drüber nachdenkt. 🧐
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Hab schon ewig keine Animes mehr geschaut…
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