Kritik: Once Upon a Time in Hollywood

Da ist er nun also endlich: Der neunte (und vielleicht wirklich vorletzte) Tarantino-Film ist gestartet und natürlich bin ich direkt ins Kino gelaufen, um das Sommer-Highlight so schnell wie möglich zu sehen. Aber wird der Streifen seinen Hype gerecht oder muss man sich auf eine Enttäuschung einstellen? Die Antwort gibt es hier in meiner Review, mit einem kleinen (gekennzeichneten) Spoiler-Teil am Ende.

  • Worum geht’s hier eigentlich?

Die Story kann man zum Glück sehr schnell und spoilerfrei zusammenfassen. Wir erleben knapp 1,5 Tage im Leben der drei Protagonisten: Der fiktionale Schauspieler Rick Dalton (Leonardo DiCaprio), seinem Stuntman Cliff Booth (Brad Pitt) und der realen Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie). Während Dalton in einer tiefen Krise steckt und den Tag bei einem Dreh zu einer Fernsehserie verbringt, trifft Cliff auf ein junges Hippie-Mädchen, die auf den gleichen Hof lebt wie Charles Manson. Dieser ist bekanntlich für den Tod von Sharon Tate verantwortlich. Die junge Schauspielerin sehen wir aber bei einem vergnügten Tag, in dem sie ein Kino besucht, wo gerade ihr eigener Film läuft. Die Story ist somit das umgedrehte Pulp Fiction. Wir sehen als Zuschauer zuerst, wie die Charaktere zusammengehören, bevor wir dann alle einzeln an einem Tag begleiten. Diese „Handlung“ erstreckt sich über fast zwei Stunden in „Once upon a Time…“. Weiteres wäre jedoch ein sehr großer Spoiler, weil Tarantino sehr gut mit den Erwartungen des Publikums spielt. Tatsächlich ist die Geschichte auch eher nur der Ausgangspunkt für den Regisseur. Der Meister hat hier nämlich sozusagen sein eigenes „Best of“ zusammengeschnitten. Der Film soll das Feeling dieser Jahre rüberbringen, das Kino und die Stars dieser Jahre abfeiern und die Charaktere hinter den Filmen dem Zuschauer näher bringen. So ist auch fast jeder Mono- oder Dialog als Statement zu verstehen. Mal werden Serien kritisiert, mal das Ungleichgewischt zwischen einzelnen Jobs in der Filmindustrie und mal werden auch einzelne Personen direkt angesprochen. So taucht auch der umstrittene Filmemacher Roman Polanski auf. Dieser wird direkt mal von Rick Dalton für seine genialen Filme abgefeiert, bevor sich Tarantino durch den Satz eines Nebendarstellers direkt von der Person distanziert. So schreibt man geniale Drehbücher, aber etwas anderes haben wir von Quentin Tarantino auch nicht erwartet. Jeder Satz, jedes Statement, jede Anspielung, jedes Zitat – Auf den Punkt!

  • Rick f*** Dalton

Auch bei den Darstellern hat man mal wieder ein richtiges Händchen bewiesen. Jedoch gehen die Leistungen der unzähligen Nebencharaktere komplett unter, weil die drei Protagonisten ihre Arbeit einfach fantastisch machen. Selbst Pitt und Robbie haben aber keine Chance gegen die Darstellung von Leo DiCaprio. Seine Figur ist so viel mehr, als ein einfacher Schauspieler der am Ende seiner Karriere steckt und Alkohol trinkt. DiCaprio spielt dabei diesen Charakter so genial, dass es in jeder Minute auf der Leinwand mit ihm eine Freude ist. Selbst mein Kumpel, mit dem ich im Kino war und der alles andere als ein Cineast ist, hat als erstes im Nachgespräch die großartige Schauspielerleistung gelobt. Er war es auch, der einen Satz nach dem Kino rausgehauen hat, der wie Honig meine Ohren runterfloss: „Der Film war endlich mal was anderes“. Ich glaube, dass ich ungefähr fünfmal mit einem „Ja genauso ist es!“ geantwortet habe. Genau hier liegt nämlich die Kernessenz von „Once Upon a Time…“. Der Film läuft zwar klar nach den bekannten Tarantino-Regeln ab, jedoch sticht er in der heutigen Filmmasse extrem heraus. Jeder der kritisiert, dass man das alles schon von Tarantino irgendwo anders gesehen hat, müsste auch jeden Blockbuster der letzten Jahre 0 Punkte geben. Die wiederholenden Elemente – Gewalt, ausufernde Dialoge, Abfeiern des alten Hollywoods – überzeugten in den letzten acht Tarantino-Filmen und auch hier geht alles glatt ineinander über. Dazu ein typischer Soundtrack, überzeugende Darsteller und ein fantastisches „Look n´Feel und fertig ist ein Film, der die Tarantino-Formel bis zum äußersten reizt. Für den ein oder anderen wird diese Dosis zu viel des Guten sein, für mich war es jedoch ein herrlicher Spaß über 2,5 Stunden.

  • Spoiler-Teil: Es war einmal…

Wer den Film noch nicht gesehen hat und tatsächlich schon diesen Spoiler-Teil liest, wird sich vielleicht wundern: Sollte der Film nicht über die Manson-Morde gehen? Irgendwie kam es auch bei mir so an, dass der Serienmörder und seine Anhänger eine große Rolle einnehmen sollten. Während der Psychopath selbst nur wenige Minuten auftritt, sind seine Jünger die Protagonisten des Finales. Das Wort „Finale“ ist aber nicht ganz richtig, eher wirken die letzten Szenen wie ein Epilog. Nach einem kleinen Zeitsprung sieht der Zuschauer endlich das, was über 2 Stunden wie ein Damokles-Schwert über diesen Film hing. Bei dem Titel des Streifens hätte es eigentlich schon klar sein müssen, aber irgendwie kam ich nicht auf die Idee, hier eigentlich ein Märchen zu sehen. Der Regisseur kombiniert beim Showdown zwei Elemente aus seinen früheren Filmen: Die alternative Geschichte aus „Inglourious Basterds“ und den Slapstick aus der KKK-Szene in „Django Unchained“. Heraus kam die vielleicht witzigsten Minuten des Filmjahres 2019. Ohne zu übertreiben, krümmten sich teilweise die Leute links und rechts von mir im Kinosaal vor Lachen. Der Aufbau der Spannung durch die realen Ereignisse und die Entladung in einem Slapstick-Gewitter funktioniert unfassbar gut. Gleichzeitig bringt Tarantino Millionen von Menschen dazu, über die Manson-Family zu lachen und meiner Meinung nach ist das auch der beste Weg, um solchen Leuten entgegen zu wirken.

  • Fazit: Ab ins Kino!

Eigentlich bleibt mir nicht mehr viel zu sagen, weil ich nur noch auf die Suche nach Haaren in der Filmsuppe gehen könnte. Ja, der Film ist etwas zu lang und man hätte nicht jede Szene gebraucht. Ja, der Film ist komplett auf den (Selbst-)Referenzen aufgebaut und badet förmlich darin, anstatt seine Story fortzuführen. Ja, Tarantino hat seine eigene Formel wieder kopiert und hier sogar auf die Spitze getrieben. Hat mich das alles gestört? Nein! Dafür hab ich mich viel zu schnell in diese Welt verliebt. Die großartigen Darsteller und das gesamte „Feeling“ dieses Films sorgen dann dafür, dass man 2,5 Stunden beste Unterhaltung erlebt und vielleicht sogar noch das ein oder andere über Hollywood lernt. Zusammen mit dem besten Film-Finale des bisherigen Kinojahres bleibt mir nur zu sagen, dass dieser Film wie gemacht ist fürs Kino und jeden Kinozuschauer mehr als verdient. Viele werden rausgehen und sagen: „Endlich mal was anderes“.

OUATIH

Wie immer wünsche ich mir Feedback zur Review. Hier aber mal im Besonderen: Wie gefällt euch die neue Art des Beitragbildes?

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22 Comments

    1. Jetzt mal ehrlich: In 25 Jahren kommen 9 Filme mit ähnlichen Stil und gefühlt alle regen sich auf, bei 20 Marvelfilmkopien ist aber alles supi. Versteh ich nicht, sorry. Vielleicht kannst du (und Christian ist wohl der selben Meinung) es mir im Podcast erklären 😀

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      1. Versuche es mal auf diese Weise:
        In jeder Klasse gab es einen 1er-Schüler. Nicht du und nicht ich – aber es gab einen. Bzw. eine, aber bleiben wir mal beim neutralen Maskulinum (wissen aber, dass es immer ein Mädel war). Sie hat immer 1er geschrieben. Irgendwann hat man sie dafür nicht mehr gelobt, denn es war nichts außergewöhnliches mehr. Mehr noch: jetzt hatte sie in Mathe einmal eine drei, weil sie sich am Abend davor die Augen ausgeweint hat und deswegen völlig übermüdet zur Klassenarbeit kam. Sie bekam eine 3 zurück und sieh da, Lehrer und Eltern haben nach langer Zeit mal wieder auf eine Arbeit reagiert. Sie waren enttäuscht und ließen sie es auch wissen. Sie waren mehr gewohnt. Alle wussten, dass sie zu mehr imstande war.
        Und dann waren da noch die Klassenclowns. So Leute wie du und ich. Die hatten eh immer 3er. Da war man nicht mehr gewohnt. Die kamen nach hause mit einer 3+ und man war zufrieden. Gut gemacht. Besser als sonst. Nächste Arbeit eine 3-4, haja, passt schon. Für seine Verhältnisse auch okay. Kein Talent, keine Mühen, keine Erwartungen. Niemand wird enttäuscht.
        Ihr hat man die 3 nach wie vor nicht verziehen. Während man bei ihm von der 3+ schwärmt, hat sie wieder 1er geschrieben, aber die 3 bleibt unvergessen.

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        1. Also erstmal: Woher willst du wissen, dass ich kein 1er Schüler war???????? Das „kein Talent“ habe ich ebenfalls überlesen….

          Sonst: Der Vergleich hinkt vorne und hinten. Schulnoten mit Kunstwerken wie Filmen zu vergleichen? Auch wenn es dir nur um die Erwartungen geht und ich weiß was du meinst, sehe ich das komplett anders. Tarantino ist eher der Klassenclown, der einfach mal einen Schockokuss an die Tafel wirft mitten im Kunstunterricht und dabei „Kunst“ ruft (Geschichte frei erfunden). Marvel und Disney sind die 1er Schülerinnnen. Die sind davon genervt und wollen weiter dumm auswendig den Stoff lernen und dann auf Papier (bzw. Film bringen).

          Die eigene Metapher zu meinen Gunsten umgedichtet. Bin heute Abend gut drauf!

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          1. Das Umdichten sei dir gestattet, trotzdem erkennst du in deinem Fall, dass es einen Unterschied gibt. Und wo ein Unterschied existiert, sei auch eine unterschiedliche Bewertung anhand der gleichen Maßstäbe gestattet.
            Aber ich sach mal so, werde bei Once Upon erstmal dir und Christian das Feld überlassen. Ihr scheint da ja an völlig unterschiedlichen Enden um Aufmerksamkeit zu winken.

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        1. Christian hat immerhin ein Statement auf Twitter gesetzt und sich danach in eine Art Tarantinowachkoma gegeben. Und Benno gibt ja ein fast nie Sternebewertungen, vielleicht weil sie manchmal so absurd wären…
          Morgen zwischen 19:30-20:00 wirst du meine Letterboxdbewertung sehen können und Samstag meine Kritik lesen können.

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      1. Da musst du schon unsere nächste Podcast-Folge abwarten 😉
        Da werden wir uns in alle Ausführlichkeit darüber unterhalten. Aber schau ihn dir besser davor an, denn ohne über das Ende zu reden, werden wir dort nicht auskommen.
        Um ehrlich zu sein, muss ich meine Meinung noch vollends bilden. So ganz im Reinen mit mir selbst bin ich noch nicht, was die abschließende Beurteilung betrifft.

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        1. Ich höre mir so oder so an und im besten Fall gucke ich trotz meines Rewatchanfalls (den ich aber auch mit meinem Podcast begründen kann) den noch fehlenden The Hateful Eight bis zur nächsten Folge. OUATIH gucke ich mir morgen an, bin mit einem Freund dafür verabredet.
          Ich kann mir bei den Film vorstellen, dass man mehr Zeit als normalerweise braucht, um ihn zu beurteilen.

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          1. Ach, The Hateful Eight… das wird eine laange Aufnahme am Montag…
            Dann schonmal viel Spaß und ich bin gespannt.

            Das „Benno“ überlese ich mal, aber bei neu gesehenen Filmen gebe ich mittlerweile durchaus Sternebewertungen (auch wenn ich kein Fan von bin, denn Climax z.B. hat andere Qualität als es die 3/5 vermuten lassen). Aber bei Hausaufgabenfilmen spare ich mir diese, um die anderen beiden etwas zu überraschen. Und auch nicht bei Filmen, die ich nach der Hälfte ausgemacht habe…

            Gefällt 2 Personen

            1. Ich hab das schon verstanden, auch wenn es mitunter schwierig ist neue Bewertungen von dir auf Letterboxd zu erkennen. Eine Sternebewertung kann allein keine Kritik darstellen, sie ist aber gerade bei Letterboxd ein interessanter Aspekt.
              Wenn ich den Film anfange, mach ich ihn entweder nach zehn Minuten aus oder guck sie bis zum bitteren, selbst den Emoji Movie…

              Gefällt 2 Personen

          2. Viel Spaß bei beiden Filmen. Würde „Hateful Eight“ vielleicht sogar ein bisschen vor „QUATIH“ setzten.
            Bei beiden Filmen rate ich dir jetzt schonmal für die Podcastfolge: Hör einfach nicht auf die beiden Dödel. Wobei, das werde ich dieser langen Aufnahmenacht wohl häufiger erwähnen müssen 😀

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  1. Es zieht sich an einigen Stellen doch ziemlich, aber insgesamt schon ein guter Film. Technisch gelungen, guter Cast, gute Musik, gespickt mit Insidern. Wir schon mal irgendwo gesagt, nicht Tarantinos bester Film, aber sicherlich im oberen Drittel seins Schaffens😊
    Das Beitragbild finde ich durchaus gelungen, müsste aber noch mal einige andere sehen,um das Ganze dann mal so richtig abzufeiern. Innovation ist ja immer was Gutes 👍

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