Da habe ich es doch tatsächlich vergessen am letzten Samstag die wöchentliche Frage zu beantworten. Egal, dann gibt´s halt diese Woche zwei. Heute geht es um den „besten Film meines Lieblingsregisseurs“. Eigentlich geht es ja um den „schlechtesten Film“, aber um ehrlich zu sein, ist der schlechteste Film von Stanley Kubrick noch so gut, das ich nicht von „schlecht“ reden kann. Aber welcher Film ist sein absolutes Meisterwerk? Der Science-Fiction-Klassiker „2001“ oder „Full Metal Jacket“, als fantastisches Drama über Vietnam und die amerikanische Armee? Ihr könnt euch schon denken, wenn ich hier die ganzen Filme aufliste, ist es keiner davon. Aber alle diese Streifen haben etwas gemeinsam: Es sind richtig gute Filme vom Altmeister. Dazu kommen dann noch (neben dem in der letzten Woche genannten „Shining“) „Dr. Strangelove“, „ Barry Lyndon“, „Lolita“, „Eyes Wide Shut“, „Spartacus“ oder auch „Paths of Glory“. Für mich sind selbst seine weniger gelungenen Filme, immer noch weit über den üblichen Kinostandart anzusiedeln. Jedoch gibt es nur ein Meisterwerk des Regisseurs, welches über allem steht.
- Was will der Künstler uns damit sagen?
Wart ihr auch schon mal in einem Museum und habt euch die Frage der Überschrift gestellt? Oder seid ihr mehr wie ich, der da eher an den alten Spruch „Ist das Kunst oder kann das weg?“ denken muss? Ja, ich gebe es zu: Mit vielem aus der Welt des künstlerischen Schaffens kann ich nicht so viel anfangen. Auch bei Filmen fällt mir das schwer. Hat der Film nun wirklich einen tieferen Sinn oder ist das alles nur pseudo-intellektueller Mist? Die Frage kam mir schon bei vielen großen Streifen der Geschichte. Ein Werk schafft es jedoch diese essentielle Frage auf die Spitze zu treiben, so dass sich selbst die Kritiker dieser Welt nicht einig sind. Ist „A Clockwork Orange“ ein Meisterwerk oder nicht? Dazwischen gibt es eigentlich nichts. Zumindest ist mir noch keiner begegnet, der gesagt hat: „Uhrwerk Orange? Ja, den fand ich ganz O.K.“ Man hasst ihn oder man liebt ihn. Wie ihr es euch vielleicht schon denken könnt, gehöre ich zu letzterer Gruppe. Ich habe keine Ahnung was man nehmen muss, um so ein Werk zu erschaffen, aber Stanley Kubrick und der Autor des Original-Buchs Anthony Burgess haben hier wirklich etwas für die Ewigkeit abgeliefert.
- Hier kommt Alex
Die Geschichte ist dabei tatsächlich relativ einfach zu verstehen und zeigt wieder einmal, dass man für eine gute Story keine überraschenden „Plot Twists“ braucht oder einen überaus raffinierten Handlungsstrang. Man benötigt interessante Figuren und eine faszinierende Welt in der sie sich bewegen können. Der Film spielt in der Zukunft (aus dem Jahre 1971 gesehen) und handelt von Alex und seinem Leben. Als Anführer einer Jugendbande verbreitet er Gewalt in London. Er greift mit seinen Jungs Obdachlose an, vergewaltigt wohlhabende Frauen und tötet auch eines der Opfer. Dafür muss er dann auch in den Knast, in dem der wirklich nicht gerade dumme Beethoven-Liebhaber versucht sich einzuschleimen. Während seiner Zeit im Gefängnis darf er an einem Experiment teilnehmen, bei dem er nach zwei Wochen Therapie wieder in die Freiheit darf. Diese „Therapie“ ist allerdings nur ein Mittel der Regierung um Kriminalität loszuwerden. Tatsächlich gelingt es und Alex verspürt ab sofort extreme Schmerzen, sobald es um Sex oder Gewalt geht. Allerdings (sozusagen als „Nebenwirkung“) erfährt er die gleichen Schmerzen auch, wenn er die 9. Sinfonie von Beethoven hört. Wieder auf freiem Fuß, beginnt jedoch erst sein richtiger Leidensweg, als er auf seine ehemalige Bande und auf seine früheren Opfer trifft.
- Zwischen den Extremen
„A Clockwork Orange“ ist mehr als nur ein Film, es ist Kunst und Kunst muss (und darf!) nicht jedem gefallen. Aber gibt diesem Meisterwerk eine Chance, lasst euch einmal die 130 Minuten komplett auf die Schaffenskraft ein und ihr seht Kubricks Bilder vielleicht in einem neuen Licht. Schaut ihn zweimal, dreimal, viermal an und ihr werdet immer neue Ansätze dafür finden, warum dieser Film so großartig ist oder nicht. Geht es hier um Politik, Religion, Freiheit, die Gesellschaft oder doch nur um bloße Gewalt? Die Bilder der Kamera sind wunderschön, faszinierend und gleichzeitig extrem abstoßend. Wir sind so an die normale Filmsprache gewöhnt, dass uns solche Werke extrem vorkommen. Für die einen extrem Gut, für die anderen eben nicht. „Uhrwerk Orange“ ist in manchen Momenten tiefe Zukunft-Philosophie der frühen 70er Jahre, in anderen Momenten könnte der Film gar nicht näher an der Realität dran sein. Besonders stark wirkt das Thema „Freiheit des Einzelnen und im Kollektiv“ auf mich. Für mich gibt es eine Menge zu entdecken, hinter der vordergründigen Absurdität des Films. Alles kann etwas bedeuten und kann somit auch interpretiert werden. Jedoch ist hier eine klare Story vorgegeben, mit wirkenden Charakteren und einer in sich logischen Welt. Das alleine macht für mich den Unterschied aus, zwischen irgendwelchen scheinbaren, künstlerisch hochwertigen Filmen und diesem tiefen Gesellschaftsdrama. Ja, dieser Film ist Chaos. Er ist absurd, gewalttätig und besonders 40 Jahre später schwer anzusehen. Blickt man jedoch hinter die Fassade, wird „A Clockwork Orange“ klar wie ein wolkenloser Himmel.
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